Drekhar der Nebelreiter

Aus Kreiswanderer

Drehkar der Nebelreiter gehört wohl zu den verstörtesten Gestalten, mit denen ich im Laufe meiner Chronistenlaufbahn je das zweifelhafte Vergnügen haben werde. Trotz allem hat er mit seinen Taten einen Wechsel der Zeitalter im Kreis Ubriska mit eingeläutet, weswegen er im großen Buch nicht fehlen darf. Als ich ihm am Ende seines Lebens begegnete, war er ein von Alter und Wahnsinn gezeichneter Mann, er sprach langsam und schien so, als ob er jedes Wort aufwändig aus seinem Hirn graben müsste. Ich werde die Geschichte, wie er sie erzählte hier Wort für Wort wiedergeben.

Wo soll ich denn anfangen? Wohl besser ganz am Anfang, wahrscheinlich. Wie du sicher weißt, bin ich ein Bauernsohn einer Familie aus dem Mauerland. Meine Kindheit war nicht die einfachste, aber wir hatten immer genug. Die Ordensritter haben uns beschützt und der Nebel blieb fern. Nun, bis auf einen Tag. Der Nebel spuckte ein Moor aus, das sich um unser Dorf bildete - an sich nichts ungewöhnliches, derlei Veränderungen waren wir gewohnt. Doch die Monster, die aus diesem hervorkrochen, hatten schon bald alle Krieger getötet und unsere Heilige Flamme gelöscht. Ich kann mich nicht mehr an die Gestalt der Kreaturen erinnern, aber es waren viele. Als das Licht um uns erlosch, schwor ich zu den Göttern, dass ich ein Träger der Flamme werde, sollte ich es jemals in den Schein des Feuers zurückschaffen. Das war im Jahr 987 nach dem Albenfall, ich war ein junger Bub von 16 Jahren und ich war von jetzt auf gleich auf mich allein gestellt und vom Nebel umschlossen. Ich floh. Wohin, konnte ich nicht sagen, denn im Nebel gibt es keine Orientierung. Wer nicht das Glück hat, auf eine Lichtung zu stoßen, um sich am Stand der Sonne einrichten zu können, hat keine Ahnung, wo er sich befindet und in welche Richtung er geht. Eine Weile noch hörte ich hinter mir die verzerrten Schreie der Kreaturen, doch verschwanden sie plötzlich, der Nebel riss sie und das Dorf aus unserer Existenz. Ich irrte eine Weile umher, ständig in Furcht vor den Monstern und davor, dass der Nebel mich verschluckt und dass ich nie wieder ein Licht erblicken werde. Die Landschaften wechselten schneller als die Tage, war man eben noch in einer Steppe, musste das nicht heißen, dass man beim zweiten Blick nach vorn nicht von einem Urwald umgeben war.

Tatsächlich traf ich aber nach einigen endlos wirkenden Tagen auf eine kleine Ansiedlung. Ich stolperte aus dem Nebel und gemäß unseres Rechtes wurde mir Obdach gewährt. Mit der Wachablösung der Ordensritter zwei Tage später zog ich schließlich zur Ordensburg Jakobstrutz, die als Zwischenstation, Krankenhaus und Auffangstation für Bettler und Obdachlose diente. Ich weiß noch, wie alles groß und prächtig wirkte, als ich das riesige Tor hinter mir ließ und die Gebäude in den Farben des Ordens der Sonnenkrieger erstrahlen sah. Doch ich weiß auch noch, welche Armut in ihren Gemäuern hauste. Als ich mich dem Orden anschloss, schrieben wir das Datum 18. der Wintersaat 1685 nach dem Albenfall. Der Nebel hatte mich also 700 Jahre durch die Zeit geworfen. Ich lernte alles neu, die Namen der Herrschenden, die geltenden Gesetze, die jüngsten Wissenschaftlichen Erkenntnisse. All dies im Hauptquartier der Sonnenkrieger, in dem ich später zum Hüter und schließlich zum Träger der Flamme wurde.

Als Träger der Flamme ist es meine Aufgabe gewesen, mit einer Einheit Kriegern durch den Nebel zu ziehen und ihm bewohnbare Flecken abzuringen. So wahren wir mehr als nur einmal außerhalb der Grenzen des Königreiches Wehren unterwegs, um das Einzugsgebiet zu erweitern und den im Nebel lebenden Siedlern das Licht der heiligen Flamme zu bringen. Meine Einheit bestand aus 10 Kriegern, wir waren eine eingeschworene Gemeinschaft und trotz allem waren wir am 23. der Tauzeit 1703 unserem Untergang geweiht. Der Nebel spielte mit uns, warf uns Monster diverser Erscheinungsformen in den Weg, verwüstete außerhalb des Scheins der Laterne alle Landschaften und ließ uns Geräusche wahrnehmen, die jeden Verstand zernagen. Hilde, Bern und August verloren wir an die Monster, Gert und Elias gaben ihren Verstand auf und stürzten sich in den Nebel. Mit jedem sterbenden Krieger rückten wir enger aneinander, doch bald hatte der Nebel uns auf zwei Streiter reduziert.

Unser Kampf gegen den Nebel fand ein plötzliches Ende, als wir in eine Ruine fielen. Ich weiß noch, dass ich einen seltsam glühenden Torbogen sah, doch als ich durch ihn hindurchstolperte, fiel ich in einen säulenbewehrten Gang, von dem aus ich Blick über eine Stadt hatte, die weit größer war als alle Städte, die ich kannte. Meine Neugier war stark, doch meine Laterne hatte ich beim Fall in die Ruinen verloren und so kehrte ich durch den Torbogen wieder zu den Ruinen zurück und gemeinsam mit Jakob sicherte ich sie erst einmal vor dem Nebel. Ich wäre sicher geblieben, um die große Stadt zu erkunden, doch wir waren schon zu lange weg und mussten zurückkehren, um Bericht zu erstatten. Jakob blieb, um die Flammen zu hüten und ich setzte mich erneut in Bewegung, um mir im Nebel meinen Weg zu bahnen. Der Zufall oder das Schicksal wollten es, dass ich die Rückreise unbeschadet überstand und so konnte ich im Quartier Vilderbarg eine größere Einheit entsenden, den Weg zu den Ruinen zu ebnen und zu befestigen.

Ja, und nun sitze ich hier, inzwischen alt geworden und grau. Ich bin seitdem nie wieder auf Reisen durch den Nebel gegangen, der Ordensobere hat mich aufgrund meiner Taten befördert, ich habe nun die jungen Sprösslinge ausgebildet, die wie ich in jungen Jahren den Sonnenkriegern beigetreten sind. Durch den magischen Torbogen bin ich nie wieder gegangen, doch haben wohl einige Streiter ihr Glück versucht.

— Eintrag eines Chronisten zu Drekhar dem Nebelreiter